Schweinegrippe – Kranke Zahlenspiele

November 7, 2009

Die Gesellschaft ist unfähig, mit Unsicherheit umzugehen. Dies trifft insbesondere beim Thema Schweinegrippe zu, findet Gerd Antes von der Ständigen Impfkommission.

Ignoranz gegenüber Fakten

Wie ein roter Faden zieht sich die Abneigung gegenüber Zahlen durch Berichte. Ein Grund mag die schlechte Datenlage sein, aber auch vorhandene werden ignoriert. Die gegenwärtig besten stammen von der Südhalbkugel. Erfahrungen und Zahlen des dort fast beendeten Winters geben keinen Anlass für Katastrophenszenarien.

Während die Ignoranz gegenüber Fakten bei der Bild nicht überrascht, ist ein solches Verhalten von Maybrit Illner (ZDF) oder in „Hart aber fair“ (ARD) auffällig. Obwohl beide Redaktionen zuvor auf Daten der Südhalbkugel hingewiesen wurden, gab es zum Impfbeginn auch dort ein weitgehend faktenfreies Palaver. Eine weitere Chance zur Aufklärung wurde vertan. Das setzte sich bei „Hart aber fair“ im „Faktencheck“ zur Klärung offener Fragen fort; dort wurde der faktenfreie Faktencheck kreiert.

Auf der Strecke bleiben die Bürger. Der Wunsch nach Sicherheit wird konterkariert durch Aussagen echter und vermeintlicher Experten, die Irritation verursachen. Falsch wäre aber der Vorwurf, dass Experten nicht mit einer Stimme Sicherheit schaffen.

Das diffuse Bild ist natürliche Folge der objektiven Unsicherheit. Verwerflich ist, dass diese Unsicherheit nicht als solche deklariert wird, sondern durch Ignoranz ein Bild von Sicherheit erzeugt wird, das mit der Realität nichts zu tun hat. Die gesellschaftliche Unfähigkeit, mit Risiken rational umzugehen, ist erschreckend.

Es gibt derzeit keinen Grund zu übertriebener Aufregung. Das Grippegeschehen liegt gegenwärtig im üblichen Bereich, bei aller Tragik der Einzelschicksale. Die Medienpandemie einzudämmen verdient mehr Beachtung. Die verantwortungsvolle Interpretation vollständig und transparent dargestellter Zahlen muss Grundlage individueller wie gesellschaftlicher Entscheidungen sein. Daraus Sicherheit zu erhoffen ist jedoch utopisch. Wir müssen lernen, mit Unsicherheit sicher und rational umzugehen.

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Quelle: sueddeutsche.de

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