Dogma der Hirnforschung wankt

Bis vor etwa zehn Jahren galt es in der Hirnforschung als unumstößliche Gewissheit, dass das Gehirn nach der Pubertät nur noch abbaut und nicht mehr wachsen kann. Was durch Alter oder Krankheit an grauer Hirnsubstanz verschwindet, ist unwiderruflich verloren, glaubte man. Doch seit Mitte der 1990er Jahre müssen Ärzte und Wissenschaftler umdenken – nicht zuletzt durch neue bildgebende Verfahren in den Neurowissenschaften. Berühmt geworden ist vor allem eine 1997 publizierte Studie an Londoner Taxifahren. Sie belegte, dass bei ihnen der hintere Teil des Hippokampus stark vergrößert war – einer Hirnregion, die unter anderem für das räumliche Orientierungsvermögen zuständig ist. Auch bei anderen hochspezialisierten Berufsgruppen wie Musikern und Schachspielern zeigte sich, dass bei ihnen bestimmte Areale des Hirns deutlich vergrößert waren. Doch waren sie nun Taxifahrer, Schachspieler oder Musiker geworden, weil ihre Hirne anders sind als bei anderen? Oder hatten sich die graue Masse wegen ihrer Tätigkeit und der langjährigen Übung so entwickelt?

Jonglieren: Hochleistungssport für’s Gehirn

Eine Studie der Universitäten in Regensburg und Jena unter der Leitung von Arne May sollte diese Frage endgültig klären. Drei Monate jonglierten junge Erwachsene (Durchschnittsalter 22 Jahre) mindestens eine Minute täglich mit drei Bällen. Die Jonglier-Neulinge sollten die Bälle mindestens 60 Sekunden in der Luft halten – eine enorme Herausforderung für visuelle Wahrnehmung, räumliches Vorstellungsvermögen und Reaktions- und Koordinationsfähigkeit. Dreimal wurden die Hirne der Probanden im Kernspin-Tomografen untersucht: vor dem Training, nach dreimonatigem Üben, und dann wieder nach einer dreimonatigen Übungspause. Nach drei Monaten Training waren zwei Hirnareale der Amateur-Jongleure deutlich vergrößert – vor allem in solchen Bereichen, die für das visuelle Erfassen von Bewegungsabläufen zuständig sind. Dagegen waren diese Areale nach der Trainingspause wieder auf ihr altes Maß geschrumpft.

Neue Hirnzellen für ergraute Köpfe

Dass sich auch bei Erwachsenen das Hirn durch Lernen noch anatomisch verändern kann, war damit bewiesen – eine wissenschaftliche Sensation: Erstmals war das jahrzehntealte Dogma von der Unveränderlichkeit des erwachsenen Gehirns widerlegt. Nun wollten die Forscher wissen, ob die grauen Zellen in jedem Alter nachwachsen – macht es einen Unterschied, ob die Versuchspersonen 22 oder 62 Jahre alt sind? Eine Folgestudie am Institut für Systemische Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf wiederholt das Experiment im Winter 2006 mit einer älteren Gruppe. 40 Probanden ab Mitte 50 unterziehen sich hier dem Jonglier-Training. Noch ist die Studie nicht abgeschlossen, aber erste Ergebnisse liegen vor – und sie sind spektakulär: Selbst 60jährige Jonglier-Novizen können die Kunst mit den drei Bällen in drei Monaten erlernen. Zwar deutlich langsamer und nicht ganz so gut wie die Zwanzigjährigen aus dem Regensburger Versuch. Die schafften es doppelt so häufig wie ihre älteren Kollegen, die Bälle eine Minute in der Luft zu halten. Dafür scheinen die ersten Analysen in Hamburg aber zu bestätigen, dass auch bei Älteren das Gehirn tatsächlich noch wächst! Mit anderen Worten: Auch bei ihnen vermehrt sich die graue Substanz. Beim körperlichen Training werden die Gehirne der Senioren in den entsprechenden Bereichen größer. Allerdings wissen die Forscher nicht, was da genau wächst – es könnte die Zahl der Hirnzellen selbst oder die Anzahl der Verbindungen zwischen den Zellen sein. Die derzeit gängigen Untersuchungsverfahren können das nicht unterscheiden.

(Das bedeutet ja nicht, dass nun jeder mit dem Jonglieren beginnen müsste, um das Gehirn zu stärken.  Es zeigt sich hier aber erneut, das es viele Beschäftigungen gibt, die dem Gehirn sehr gut tun, und sogar noch Freude machen können, wie z.B. ein Tanzkurs, Kreuzworträtseln, aber auch Spazieren und Jonglieren. Nach Meinung vieler Wissenschaflter kann diese Erkenntnis genutzt werden, um neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose zu behandeln.)

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Quelle, Text und Bild: wdr.de

Das Gehirn ist viel wandelbarer als gedacht: Kinder ohne Großhirn lernen inzwischen sogar sehen, hören, krabbeln. Ein Jugendlicher mit nur einem halben Gehirn absolviert gerade sein Hauptstudium. Neue Therapien könnten auch Schlaganfallpatienten und psychisch Kranken helfen.

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Quelle: welt.de

Selbstheilung im Denkorgan

Oktober 14, 2009

Das Gehirn ist formbarer als gedacht. Selbst Jahrzehnte nach einem Schlaganfall können Nervenzellen umlernen und neue Strukturen hervorbringen: Lähmungen schwinden, das Sprachvermögen kehrt zurück. Nun sollen bessere Therapien auch Kriegsveteranen und Seelenkranken helfen.

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