Interview von Anne Devillard mit Hans-Peter Dürr:

“ Das bedeutet, dass Kreativität mit ständiger Anpassung zu tun hat. Aber es verlangt hohe Sensibilität und hohe Flexibilität, um an den Punkt zu gelangen, an dem man sich in der Öffnung befindet.

Ja, wir könnten auch sagen, das ist der Zustand der Leere. Aber diesen Punkt zu halten ist ganz schwierig, denn es braucht nicht viel und man fällt wieder raus. Es ist – wie schon erwähnt – wie bei einem Pendel. Ein Pendel unterliegt den gleichen Gesetzen wie wir. Wenn man es in Bewegung setzt, schwingt es um seine untere stabile Gleichgewichtslage. Wenn ich es aber zu seinem höchsten Punkt führe, seiner instabilen Gleichgewichtslage, so kann ich nicht mehr vorhersagen, was passieren wird, ob das Pendel nach links oder nach rechts fallen wird. Dieser instabile Punkt ist gleichzeitig die Stelle der höchsten Sensibilität und der größten Freiheit.“

Hans-Peter Dürr

An dieser Stelle nimmt das Pendel die ganze Welt wahr, ist in Kommunikation mit dem gesamten Universum. Es nimmt alles wahr: Alle Handlungen, Sie, mich, die Züge, die ankommen, die Lichtstrahlen, die geringsten Störungen. Hier bewirken die kleinsten Veränderungen in den Ursachen extreme Unterschiede in den Folgen, in unserem Gleichnis ein Fallen nach  rechts oder links. Der Instabilitätspunkt kennzeichnet die oft zitierte prekäre Kippsituation einer Wetterlage, wo der Flügelschlag eines Schmetterlings ausreicht, einen Taifun auszulösen. Die Instabilität wirkt wie ein gewaltiger Verstärker winziger Unterschiede in den Ursachen.

Die durch die Instabilität herbeigeführte hohe Sensibilität ermöglicht nun die „lebendigen“ Züge im Allerkleinsten der neuen Wirklichkeit aufzuspüren und sie in unserer Lebenswelt erfahrbar zu machen und dort praktisch zum Tragen zu bringen.

Es gibt aber ein Problem: Nachdem das Pendel den höchsten Punkt erreicht hat und dort die höchste Sensibilität eine zeitlang auskostet, passiert es diesen Punkt nicht ein zweites Mal, ohne dass es noch einmal angeworfen wird. Wie lässt sich die Zahl der Sensibilisierungen vermehren? Am einfachsten, indem wir den Pendelarm durch Herausziehen von Zapfen, von  Arretierungen in einen Doppelarm, Tripelarm usw. , also einem Pendel am Pendel, einem Pendel am Pendel am Pendel usw., verwandle. Wen wir diese Multipendel anwerfen, dann hat es viele instabile Kipp-Punkte, Verzweigungen, die es auch in wilder Folge unendlich oft besucht – wirklich unendlich oft natürlich nur, wenn es keine Reibungen gibt, die es erlahmen lassen. Wenn es also keine Reibungen gibt, gehen diese Multipendel unendlich oft durch die  Sensibilitätspunkte. Diese Multipendel (multi = mehr als zwei) nennen wir Chaospendel. Chaos scheint zu herrschen, weil wir nicht mehr ausrechnen können, wie es schwingen wird, denn durch die dauernden Verzweigungen öffnet sich für ihn ein großer Freiheitsraum, immer wieder verschiedene Möglichkeiten auszuwählen. Sie sind die Folge unendlich vieler Rendez-vous des Multipelpendels mit dem Universum. Doch das ist die Sprache der alten klassischen Vorstellung. In der Sprache der modernen Physik ist dieses Universum nicht ein Universum mit all seinen realen Teilchen, sondern es ist die a-materielle, nicht-auftrennbare Wirklichkeit, gewissermaßen ein „geistiger“, nur potentieller Hintergrund, der hier sensibel abgetastet wird und über den auf diese Weise erlebbare, doch nicht begreifbare „Antworten“ bezogen werden können. 

Nun werden Sie sagen: Ein Leben, wie wir es erleben, kann doch nicht auf solch wackliger Instabilität aufgebaut sein. Das kann doch nicht wahr sein! Wie kann jemand so viele Jahre überleben, wenn seine Lebendigkeit aus dauernden Verzweigung resultiert, denn nur da ist er eigentlich lebendig? Also die Frage: „Wie lässt sich Instabilität stabilisieren? Ist dies nicht ein Widerspruch in sich?“ So denken wir. Nein! Denn es handelt sich zunächst um eine „statische“ Instabilität. Beispiel: Ich stehe auf einem Bein: instabil!, auf dem anderen Bein: instabil! Und was mache ich, wenn ich gehe? Ich falle dauernd!? Aber ich habe zwei Beine und sie machen nicht das Gleiche. Ich falle bei einem Bein, doch bevor ich wirklich falle und am Boden liegen würde, bringe ich das andere Bein schnell nach vorne und fange es auf. Und dies im dauernden Wechsel. Das nennt man dynamische Stabilisierung. Ich bin mit beiden Beinen doppelt statisch instabil, aber ich stabilisiere mich dynamisch durch eine wechselseitig abstützende Bewegung. 

Voraussetzung ist eine präzise, unterschiedliche Bewegung der Beine, ein koordiniertes Kräftespiel von Kraft und Gegenkraft. Ihre Gegnerschaft ist kein Freund-Feind-Verhältnis, sondern verlangt Kooperation, um eine dynamische Balance zu ermöglichen. Dafür brauche ich Energie, d. h., dynamische Stabilisierung muss „gefüttert“ werden. Das Kräftespiel von Kraft und Gegenkräften verbraucht Energie. Deshalb ist Leben nur dort möglich, wo es einen Zufluss an arbeitsfähiger Energie gibt. Im Hintergrund befindet sich eine Energiepumpe, die sozusagen alles immer wieder aufrichtet. Die Energie hat nichts mit der „geistigen“ Beziehung zu tun, die wir in sensiblen Augenblicken wahrnehmen.
Wir Menschen sind ein Organismus, der, wie alles Lebendige, reich an sensiblen Schwebepunkten ist. Und wir sind umso kreativer, je näher wir uns an der Stelle der Instabilität befinden. Denn das Kreative verlangt schwebende Balance. Im Augenblick der Schwebe sind wir offen und am Gedächtnis der Welt angeschlossen. Unsere Sensibilität gibt uns die Möglichkeit, Informationen aufzunehmen, die im Hintergrund da sind. Wir können selbst kreativ sein – durch eine kleine Bewegung, durch einen kleinen Stoß im sensiblen Augenblick.

Viele haben Angst vor diesen Instabilitätslagen, sie erzeugen Unsicherheit. Aber an diesem Punkt der Instabilität brauchen wir kaum Angst zu haben, da unser Organismus auf Kooperation beruht. Wir können herum pendeln, da wir unseren erprobten inneren Balancen vertrauen können, die verhindern, dass wir weit stürzen können. Wie etwa beim Radfahren: Wir sind in der Instabilität, aber wir denken darüber nicht mehr nach. Wir haben Erfahrung gesammelt mit einigen blutigen Knien. Wir kümmern uns später überhaupt nicht mehr um die Ausgleichskräfte, die wir mobilisieren, um den Sturz aufzufangen, sie wirken schweigsam aus dem Hintergrund.

   
Könnte man sagen, dass dieser Punkt der höchsten Sensibilität der Punkt ist, an dem die Schöpfung sich selbst bewusst wird?

Ja, ich würde sagen, das ist das „seelische Bewusstsein“, wenn man es überhaupt noch als ein „Bewusstsein“ bezeichnen will, da es doch grundverschieden ist von unserem hellen oder wachen Bewusstsein, einem reflektierten Bewusstsein, das ein „Wissen“ widerspiegelt und eine äußere Wahrnehmung ist. Für mich hat diese seelische Urwahrnehmung, ein „ahnen“ oder „staunendes erwarten“ (als Verb und nicht als Substantiv gemeint) mit dieser unbegreiflichen, a-wissbaren oder „leeren“, unendlichen Offenheit zu tun hat. Sie ist angstlos, offen, grenzenlos  – wobei in meiner Empfindung Bezeichnungen wie: ganz, allumfassend, allwissend, vollkommen eher ungeeignet sind, weil sie die ständige, dynamische Offenheit ignorieren, indem man die zeitliche Offenheit durch die symbolische Vorstellung einer „Ewigkeit“ einsperrt.

Es verlangt aber viel Urvertrauen, keine Angst vor der Leere zu haben!

Ja. Das ist wie bei einem Seiltänzer. Wenn er über ein Seil läuft, denkt er gar nicht darüber nach. Er balanciert seinen Gang mit einem langen Stock, den er sachte mit kleinen Fingerbewegungen hin und her bewegt. Für ihn ist es etwas ganz Gewöhnliches, so ohne Angst zu laufen. Vielleicht nur in wenigen Augenblicken, wo er herunter schaut und denkt: „Um Gotteswillen!“, wird ihm auf einmal bewusst, dass er abstürzen könnte. Es ist also wichtig, ein Lebensgefühl dafür zu entwickeln, dass wir uns auf diesen Punkt verlassen können. Es kennzeichnet ein Urvertrauen, dass wir sehr gut – durch einen Milliarden Jahre währenden Lernprozess – mit Balance-Fähigkeiten ausgestattet sind, wo unser reflektiertes, also unser helles Bewusstsein überhaupt nicht gefragt und aufgefordert wird, sichernd einzugreifen. D. h., auch wenn ich sage: „Mir bleibt das Herz stehen“, hört mein Herz nicht plötzlich auf zu schlagen. 

Dieses Urvertrauen wird aber dadurch gestört, dass wir immer mehr in diese erprobten und  deshalb als weise erfahrenen Prozesse durch viel oberflächlichere (äußere) Überlegungen reinpfuschen. Ich frage mich wirklich, ob es nicht unser Selbstvertrauen stört, wenn wir für unsere Heilung vermehrt Hilfen von außen holen und nicht die stillen, subtileren Aufforderungen von innen befolgen. Weil wir durch die großen Erfolge unserer „äußeren“ Wissenschaft und Technik immer mehr überzeugt sind, dass wir bei allen Beschwerden dringend Hilfe von außen brauchen, mobilisieren wir durch höhere Sensibilität nicht die vielfältigen Kräfte, die wir in uns selbst haben. Die Frage ist, wo liegt die Grenze. Offensichtlich geht bei sehr gewaltsamen Störungen von außen unser Organismus zugrunde. Was wir momentan in unserer Welt erleben, bringt deutlich zum Ausdruck, dass wir Menschen Gewalten entfesselt haben, die überhaupt nicht in die Planung der auf unserer Erde stetig gewachsene  Biosphäre, in die wir als Menschen eingebettet sind, passen.

Krise als Aufforderung, den nächsten Schritt zu machen

Meinen Sie wirklich, dass es überhaupt ein Einplanen gab? War es nicht eher alles offen und wir Menschen hatten den freien Willen, aus dieser Welt eine Hölle oder ein Paradies zu machen?

Richtig. Es war offen, es ist offen in dem Sinne, dass es überhaupt nichts ausmacht, wenn wir Menschen das ganze Leben hier auf dieser Erde ruinieren. Unser Verhalten gefährdet letztlich nicht die Biosphäre in ihrer dynamischen, selbst-heilenden Entwicklung, sondern die Zukunftsfähigkeit des Menschen, der sich als die Krönung der Biosphäre betrachtet. Der Mensch fliegt letztlich dann raus, weil er dem Ganzen nicht mehr dient. Er stirbt, aber der Evolutionsprozess geht woanders weiter. Es muss uns klar werden, dass wir uns selbst mit diesen gewaltsamen Störungen den Garaus machen! Die Natur wehrt sich, sie schmeißt uns raus und sagt: „So geht es nicht!“  Und wir haben im Grunde ja  auch ein Bewusstsein, das uns hilft, diese Gefahr zu erkennen. Das ist sozusagen das Spiel, das immer wieder stattfindet. Das Paradigma des Lebendigen beschreibt nicht nur eine ständige kreative Differenzierung, sondern zusätzlich eine damit verbundene fortwährende kreative, kooperative Integration des Unterschiedlichen auf einer höheren Ebene. Die Menschheit steht heute vor der großen Herausforderung, dass sie notwendig und dringlich einen großen Schritt voranschreiten muss, bei dem sie zunächst erkennt: „Auf die jetzige Weise geht es einfach nicht!“ Wir – und damit ist vor allem unsere westliche Zivilisation gemeint –  sollten die augenblickliche, eskalierende Weltkrise nicht nur warnend als Gefahr beschreiben, sondern sie als existentielle Herausforderung betrachten, den notwendig geforderten nächsten Schritt zu machen.

Ja, das ist der Punkt!

Viele Leute fragen: „Wie sieht die notwendige Gegenkraft aus?“ Die Gegenkraft ist nicht eine Gegenmacht auf demselben Niveau. D. h. jetzt ist eine spirituelle Sichtweise sehr wichtig und dabei, so meine ich, spielen die östlichen Kulturen eine große Rolle – vorausgesetzt sie selbst sind nicht bereits von der westlichen großen Wachstums-Infektion angesteckt worden, wie viele z. B. auch schon für China und Indien befürchten.

Wenn Menschen glauben, Kriege gegeneinander führen zu müssen, um wesentliche Änderungen zu erzwingen, dann erscheint mir unser Vorhaben angesichts unseres Massenvernichtungspotentials hoffnungslos. Denn in der Rücken-zur-Wand-Stellung kämpft der Mann mit allen Mitteln, um aus seiner Zwangslage heraus zu kommen. Eine Frau reagiert eher anders: An erster Stelle denkt sie mehr an die Zukunft, konkret: an ihre Kinder. Sie trägt in sich die Verantwortung für das, was wächst. Diesen Instinkt oder besser, diese Fähigkeit zur Empathie haben die Männer auch, aber sie müssen daran erinnert werden. Diese Unterscheidung ist übertrieben. Wir alle – vor allem wir in unserer egozentrisch orientierten Zivilisation – müssen erinnert werden, dass wir mit allem verbunden und letztlich abhängig sind, was die ganze Wirklichkeit ausmacht. In dieser Richtung müssen wir die Evolution unterstützen, sonst sitzen wir auf einem Ast, der einfach abstirbt und letztlich abbricht. Die lebendige Wirklichkeit ist viel größer und offener, sie wächst einfach weiter. Sie symbolisiert Potentialität, einen unendlichen Reichtum an Möglichkeiten. Es ist wunderbar, Mitwirkender an einem Ast zu sein, der immer neue Blüten treibt und eine Entwicklung miterleben kann, die das Lebende immer lebendiger werden lässt. 

Seine Visionen ernst nehmenDas heißt, erleben, dass man die Situation selbst in der Hand hat, anstatt sich ausgeliefert zu fühlen oder zu sagen: „Oh, eigentlich habe ich es nicht gewollt!“

Ja! Und dies heißt vor allem: Wir sollten unsere Visionen ernst nehmen. Wir sollten uns dagegen wehren, Visionen nicht als eine Flucht vor der harten Realität zu betrachten, indem wir uns Traumschlösser bauen, weil wir mit unserer Welt nicht mehr zurecht kommen. Nein, eine Vision ist der erste Schritt für die Gestaltung einer wesentlich offenen Zukunft, in Richtung auf die von uns angestrebte Zukunft. Wir sind es, die wesentlich unsere Zukunft gestalten. Nicht allein, sondern mit den anderen zusammen. Wir müssen unsere Visionen ernst nehmen, weil sie das Ergebnis des Abtastens des gemeinsamen Hintergrunds sind. Es erhöht damit die Wahrscheinlichkeit, dass meine Wünsche nicht nur meine Wünsche bleiben, sondern in ihrer Potentialität auch die Wünsche der anderen mit abdecken. Auf dem Hintergrund unserer Visionen fangen wir an, Ideen zu entwickeln – in Kommunikation mit den anderen. Der Dialog – ein liebender Dialog, der das Gemeinsame und Klarheit sucht und nicht der dialektische, der Unterschiede hervorhebt und größere Ausdrucksschärfe, Exaktheit anstrebt – ist dabei das Wichtige. Es ist ein Versuch, die Subjekt-Objekt-Unterscheidung nicht durch eine scharfe Trennung wie in der Sprache einer verdinglichten Realität zu verstümmeln, sondern durch Kommunikation zu erkennen und darüber hinaus durch Kommunion zu erleben, dass wir im Hintergrund Gemeinsames entdecken, das sich nicht ohne weiteres in Begriffen ausdrücken lässt.

Wenn diese Ideen fruchtbar werden, geht die lebendige Evolution voran. Sie geht aber nicht voran, weil der liebe Gott würfelt, was wir Mutation nennen. Daraus entsteht nämlich irgendetwas beliebig Verrücktes und manchmal sogar etwas, das überlebensfähig ist, das sogar krabbelt, ja sogar schneller krabbelt als alles, was schon vorher krabbelte, und dann sogar im Überlebenskampf von allem mit allem letztlich durch höhere Qualität oder Gewalt obsiegt, was einen Evolutionsschritt charakterisiert. Nein! Die lebendige Evolution ist bereits tendenziell angelegt, aber nicht festgelegt, sondern offen. Es bedarf der Kreativität, damit die Potentialität sich in möglichen Realisierungen manifestiert. Diese Realisierungen finden aber in einem Kontext statt, der nicht beliebig offen ist, da er durch kooperative Integration, einem geglückten Heilungsprozess des Unterschiedlichen, vorgeprägt ist. Das bedeutet, dass die Darwinsche Theorie der Überlebensfähigkeit nicht etwas Zufälliges ist („Der Alte würfelt nicht!“ um Einstein zu zitieren), dass z. B. einige Tiere schneller krabbeln als die anderen oder die anderen raffinierter stolpern lässt, sondern sie sind das Ergebnis einer größeren Flexibilität, Folge der geglückten Kooperation, die eine bessere Überlebensfähigkeit erlaubt. Und diese Flexibilität ist von Anfang an durch die Offenheit vorbereitet. Sie ist genau für diesen Zweck angelegt. Jetzt lässt sich vielleicht besser verstehen, wie im Laufe von nur dreieinhalb Milliarden Jahren ein so hoch komplexer und statistisch total unwahrscheinlich zusammengesetzter und langfristig operierender Mensch aus diesem relativ primitiven, viel wahrscheinlicheren chemischen Gebräu am Anfang unserer Erdgeschichte überhaupt entstehen konnte, dass so eine Evolution nach altem Muster prinzipiell überhaupt funktionieren kann.

In der Natur gibt es kein Rezept nach dem Motto: „Du musst das und das machen!“, sondern die Natur sagt:  „Alles, was ich mache, ist, dafür zu sorgen, dass ihr ein Spielfeld habt, das genügend eben ist, damit jeder eine Chance hat, sich zu entfalten. Und dann fangt zu spielen an! Und sorgt dafür, dass ihr Spielregeln entwickelt, damit ihr euch nicht gegenseitig vernichtet, sondern damit ihr eure verschiedenen Spiele auf diesem ebenen Spielfeld miteinander in Einklang bringen könnt, somit ihr für die zukünftige Gestaltung immer neue, größere und höher-dimensionale Räume kreiert. Alles, was lebt, ist Ergebnis eines erfolgreichen Überlebensrezepts. Die Vielfalt ist ein Ausdruck des Lebensreichtums. Ihr müsst lernen zusammen zu spielen. Und das könnt ihr auch, weil ihr ja alle verwandt seid.“  Das ist doch ein wunderbarer Lebensplan!

Die gefährlichen Eskalationen, die in unserer heutigen Welt geschehen, sind auch Beispiele solcher Lebensspiele, aber sie führen zum Absägen des Astes, auf dem wir sitzen. Sie sind nicht erfolgreich, weil die differenzierenden Infektionen zu stark, zu häufig, zu vielfältig sind – was umgekehrt gerade die Erfolgsziele: „größer, schneller, mehr“ unserer heutigen Wirtschaft widerspiegeln –, um dem Organismus oder Kulturen genügend Zeit zur Heilung, ihrer kooperativen Anpassung und Integration zu lassen. Es ist eben nicht die schnelle Infektion die letztlich den wirklichen Evolutionsschritt bestimmt, sie ist sehr wohl der Auslöser, sondern der anschließende, viel langsamere konstruktive Heilungsprozess.  

Das Positive aussäen

Wenn wir so weiter  machen, dann muss es uns klar sein: “Ok, es endet so.“

Ja. Es endet einfach so, weil der Teufelskreis uns die Kompetenz und die Souveränität aus der Hand nimmt, unabhängig zu handeln. Der Teufelskreis ist eine dynamische Rückkoppelung, die automatisch abläuft. Die Dynamik verselbstständigt sich, wird zur Eigendynamik. Es gibt innerhalb des Teufelskreises keine Instrumente, die ihn aufbrechen können. Es gelingt nur durch einen radikalen Ausstieg, vergleichbar etwa einem Sprung über einen Zaun, wenn wir in eine Sackgasse geraten sind und nicht mehr zurück wollen, oder einem Herunterdrehen des Verstärkers, wenn das Mikrophon-Lautsprecher-System zu pfeifen anfängt. Man muss in gewisser Weise einfach aussteigen, etwas ganz Neues wagen.

Ganz bewusst!

Ganz bewusst sagen: „Mit den jetzigen Instrumenten geht es nicht.“ Zum Glück haben wir tiefere Einsichten und genügend Kräfte, die zeigen, dass im Hintergrund noch andere Fähigkeiten schlummern. Wir Menschen sind noch da – und nicht nur in der Schrumpfform eines homo oeconomicus, sondern in der vielfältiger Gestalt des homo sapiens  – und wir können darauf vertrauen, dass andere, nicht begreifbare Beziehungen in unserem Leben walten und wirken. Auf diesem Hintergrund können wir versuchen, wenn wir demnächst einem anderen gegenüber treten, es dieses Mal im vollem Vertrauen zu tun, und einmal vergessen, dass unsere westliche Gesellschaft uns durch die dominierende Forderung nach erfolgreichem Wettbewerb lehrt, in jedem anderen zunächst den Gegner, den feindlichen Konkurrenten zu sehen, den es zu überholen gilt. Wenn wir einem anderen mit Vertrauen als Partner und nicht als Konkurrenten begegnen, werden wir oft erfahren, dass der andere sich wohler fühlt und beginnt, sich selbst mit anderen Augen zu betrachten. Wenn wir auf diese Weise fortfahren, werden wir merken, dass das Positive, insbesondere das wechselseitige Vertrauen, überall zunehmen wird.

Es gibt heute schon so viel Weisheit in der Welt, aber es reicht nicht aus, sie nur an wenigen Stellen anzusammeln, sondern wir müssen sie überall aussäen, immer wieder aussäen, nicht nur auf fruchtbaren Boden, sondern auch auf Asphalt, auf Trümmern und anderen unwirtlichen Plätzen. Irgendwo wird der Samen wachsen. Und wenn er überall wächst, dann kann niemand mehr etwas dagegen machen.

Und das ist unsere Aufgabe!

Das ist unsere Aufgabe! Wir  müssen aussäen, wir haben alles!

Prof. Dürr, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Quelle: NATUR & HEILEN 1/09

Die Quantenphysik beamt die Vorstellungskraft der Menschen in unendliche Weiten. Sie eröffnet eine Mikroperspektive in Dimensionen, in der die Materie sich aufl öst – die Domäne mathematischer Höchstleistungen und ein Eldorado für spirituelle Denker, die von hier aus Brücken zu spirituellen Sphären schlagen. Andere Forschungsergebnisse geben dem Menschen dafür umso mehr Bodenhaftung. Durchleuchtet von verschiedenen Disziplinen, verwandelt sich der Homo Sapiens in eine Biomaschine, ausgestattet mit komplexem Programm. Aber das entzieht sich weitgehend seiner Kontrolle. Soziologisch determiniert, biochemisch fixiert, gehirntechnisch lokalisiert bleibt ihm nur ein kleiner Rest, um kreativ sein Leben zu gestalten. Der entscheidende? Gespräch mit einem interdisziplinären Forscher über menschliches Vorstellungsvermögen, die Macht der Prägung und die Freiheit des Willens.

PB: Die meisten von uns haben als Schulwissen über das Innenleben der Elemente noch das Bohrsche Atommodell abgespeichert: Elektronen, die um einen festen Kern kreisen. Das erschien irgendwie noch greifbar, ist aber nur eine Vorstufe. Die Quantenphysik dringt noch viel tiefer in den Mikrokosmos vor. Wie kann man sich diese Größenverhältnisse, beispielsweise in einem Bild gedacht, noch zugänglich machen?

Ewald: Als Annäherung ist es brauchbar, wenn man von dem Atommodell ausgeht, das in vergröbernder Vorstellung wie ein Planetensystem aufgebaut ist. Aber nehme ich diese Planeten bzw. Elektronen oder die Sonne, also den Kern, immer weiter unter die Lupe, verschwimmt das Bild plötzlich. Das Atommodell ist nicht falsch, sondern es ist noch zu grob, um die Feinstruktur der Materie zu erklären. Die Quantenphysik reicht in andere Größenbereiche hinein, in Miniaturbereiche, denen gegenüber sich die Atome wie Planetensysteme gegenüber diesem Zimmer verhalten.

PB: Als allerkleinstes Teilchen wurde das so genannte Partikel entdeckt, das in sich nochmals solche Größendimensionen tragen soll. Löst sich die Materie auf, je genauer man sie betrachtet?

Ewald: Wenn man immer tiefer in ein Verständnis der Materie eindringt, muss man letztlich auch die Teilchenvorstellung aufgeben. „Teilchen“ ist nur ein Begriff aus unserer Sprache, um schon reichlich komplizierte Strukturen zusammenzufassen. Aber diese Teilchen sind nicht – wie man sie sich gerne vorstellt – banale Kügelchen, die man nicht mehr teilen kann und die selbst keine Eigenschaften haben. Sondern was wir Teilchen nennen, ist schon ein sehr schwer zu beschreibendes Schwingungsgebilde in einem energieerfüllten Raum.

PB: Können diese Partikel noch lokalisiert werden?

Ewald: Schon das Elektron kann man nicht mehr richtig lokalisieren. Wie die Physiker sagen: Es ist über seine Bahn verschmiert. Und selbst von dieser Bahn kann man nicht mehr genau sprechen – ohne sehr zu vergröbern. Wenn man das weitertreibt, kommt man an die Grenzen unserer Vorstellungskraft überhaupt. Wobei interessanterweise die Mathematik immer noch weiter vorstoßen kann. Sie fasst gut in ein System, was unsere Vorstellung nicht mehr zu fassen vermag.

PB: Spiegelt sich das, was wir unter mathematischer Logik verstehen, denn auch tatsächlich in den bisher erforschten Naturgesetzen?

Ewald: Ja. Die logische Deduktion, also angewandte Logik, schlägt sich in den mathematischen Formeln in der Naturwissenschaft nieder. Und es ist eines der größten Rätsel in der Naturwissenschaft, dass dasjenige, was man auf dem Weg der logischen Ableitung fi ndet, in den Naturprozessen so oft seine Entsprechung hat. Hier besteht eine Übereinstimmung in den inneren Abläufen, als ob die Natur selbst eine Logik in sich hätte. Es ist einfach ein Wunder. Die Naturwissenschaftler können nur darüber staunen, wissen es aber nicht zu begründen.

PB: Wenn Materie laut Quantenphysik nur eine von vielen Realitäten ist, was sehen, fühlen, tasten wir dann ringsum?

Ewald: Die Schwierigkeit liegt darin, dass unser Betasten mit den Händen, unser Sehen mit den Augen, unser Hören schon auf materiellen Prozessen beruht, das heißt eigentlich schon die Grobstruktur, die großen Gebilde des Materiellen benutzt. Um hinter dieses Grobe zu kommen, muss man sein Denken erweitern, nicht nur die Messinstrumente. Ein bisschen kann man verstehen, wenn man eine glatt polierte Oberfläche unter einem Mikroskop betrachtet und die Vergrößerung immer stärker einstellt. Dann wird aus dieser spiegelglatten Oberfläche plötzlich ein völlig unglattes Gebilde, ein Gebirge. Wenn ich dann noch weiter vergrößere, merke ich, dass da Atome schwingen. In dem, was ich ursprünglich als glatte Fläche oder Wand betrachtet habe, herrscht also ein chaotisches Spiel. Scheinbar. Und die Quantenphysik dringt noch tiefer vor. Und dabei müssen wir noch mehr Vorstellungen aufgeben als die einer glatten Oberfläche.

PB: Welche beispielsweise? Dass es eigentlich gar keine Materie gibt?

Ewald: Das Materielle ist mehr das, was man eigentlich Schwingung im Raum selbst nennen muss. Die Schwierigkeit besteht darin, dass wir uns normalerweise schon Materie denken, wenn wir Schwingung sagen. Sprich, wir stellen uns vor, wie die Luft oder das Wasser schwingen. Während hier umgekehrt die Materie erst damit erklärt werden soll, dass sie schwingt. Aber dann stellt sich die Frage, was da schwingt? Da sind die Physiker in Verlegenheit. Das können sie nicht beantworten. Man könnte höchstens sagen, der Raum hat die Fähigkeit zu schwingen.

PB: Dann ist er aber auch nicht vor allem leer, bzw. dann ist das Nichts auch nicht die größte, sich ausbreitende Sphäre, wie immer wieder postuliert wird?

Ewald: Der Raum ist nicht leer, sondern er ist voller Energie bzw. ein Feld, in dem Schwingungen möglich sind, und zwar sehr regelmäßig sich wiederholende Schwingungen. Sonst gäbe es gar nicht Begriffe wie Lichtteilchen, Elektron oder Positron. Das beruht auf der unglaublichen Regelmäßigkeit, auf die man in diesem scheinbaren Chaos stößt und die kaum noch zu verstehen ist, wenn man experimentell in die tiefen Bereiche des Mikroskopischen vordringt.

PB: Heißt das, im Chaos herrscht auch Ordnung?

Ewald: Ja, diese merkwürdige Verbindung aus Ordnung und Chaos ist eines der größten Wunder in der Natur.

PB: Und wirft die neue alte Frage auf: Woher kommt, wer schafft die Ordnung im Chaos?

Ewald: Wissenschaftlich gesehen, muss man das letztlich offen lassen. Vieles von der Ordnung im Chaos ist durch die Prinzipien der Biologie, der Psychologie, unseres Weltverständnisses insgesamt erklärbar – auch des wissenschaftlichen, aber letztlich ist es ein offenes Problem, was die Welt zusammenhält und was ihr eine Richtung gibt.

PB: Die ins Immaterielle reichende Quantenphysik fi ndet auch viel Nachhall, wenn es um die spirituelle Seite des Menschen geht. Auf Basis der These, dass alles aus den gleichen Partikeln geformt ist, werden spirituelle Themen wie Telepathie neu erforscht. Was denken Sie über die Möglichkeit dieses Phänomens?

Ewald: Telepathie, Hellsehen und Psychokinese müssen nicht unbedingt als spirituell angesehen werden; sie können – mindestens teilweise – Naturphänomene darstellen, die auch quantenphysikalisch nicht voll erfassbar sind. Zwar gilt ihre Existenz unter Naturwissenschaftlern als strittig, sie werden aber merkwürdigerweise praktisch genutzt. Beispielsweise hat die CIA zur Zeit des Kalten Krieges Millionen in die Einübung und Praktizierung von Hellsehen zu Spionagezwecken investiert, mit mäßigem Erfolg. Gott sei Dank; man hätte sonst ein Instrument gefunden, um so ziemlich alles auszuspionieren. Immerhin wurde das erste sowjetische Atom- U-Boot während seines Baus hellseherisch gesichtet – das Pentagon glaubte allerdings dem ungeheuerlichen Bericht nicht, bis das U-Boot vom Stapel lief und sich alles bestätigte. Paranormale Phänomene sind generell schwer systematisch zu fassen.

PB: Zu dem spirituellen Gedankengut rund um die Quantenphysik als „Physik der Möglichkeiten“ zählt auch: Das Feinstoffl iche, der Ursprung des Lebens sei entscheidend. Darum sei der Mensch im Grunde ein spirituelles Wesen und habe die damit verbundenen Möglichkeiten, z. B. die Kraft der Gedanken, längst nicht ausgeschöpft. Was denken Sie über solche Brückenschläge?

Ewald: Das „Feinstoffliche“ ist ein esoterischer Begriff und liegt der Quantenphysik fern. Ursprung des Lebens und Spiritualität des Menschen können ebenfalls nicht quantenphysikalisch erklärt werden. Aber quantenphysikalisches Denken öffnet einen Horizont, der über Physik hinausweist. Man kann damit rechnen, dass in absehbarer Zeit die – noch immer auf klassischer Physik basierende – Biologie ihre Grundlagen im Licht der Quantenphysik neu bedenken muss.

PB: Was heißt das insbesondere für Hirnbiologie und Neuroforschung? Viele Prozesse, die in den 100 Mrd. Nervenzellen des Gehirns ablaufen, legen, wie Sie schreiben, auch noch die Einbeziehung chaostheoretischer Methoden, insbesondere die Verwendung so genannter seltsamer oder chaotischer Attraktoren nahe. Was bedeutet das und wie hängt das mit Quantenphysik zusammen?

Ewald: Das fing so an: Ein Wetterforscher – Edward Lorenz – entwickelte unter vereinfachten Bedingungen eine mathematische Verlaufskurve für die Wetterentwicklung und stellte überrascht fest, dass die Kurve im zeitlichen Verlauf zwischen zwei Wetterzuständen hin und her pendelte. Eine Wettervorhersage war demnach auch theoretisch nicht möglich, von der Zahl der Messdaten ganz abgesehen. Ähnliche Verlaufskurven gibt es bei vielen Naturprozessen, insbesondere Hirnvorgängen. Streben sie mehreren oder gar unendlich vielen Zielpunkten zu, so nennt man die Gesamtheit dieser „Anziehungspunkte“ (Attraktoren) einen chaotischen Attraktor. Ein winzig kleiner Anstoß kann entscheiden, welcher Zustand – z. B. welches Wetter – wirklich eintritt. In der Hirnbiologie stößt man mit der hohen Empfindlichkeit gegenüber Einflüssen in Quantenbereiche vor – ein noch kaum erforschtes, wegen der großen Zahl chaotischer Attraktoren aber hoch relevantes Phänomen. Möglicherweise gibt es hier auch einen Ansatzpunkt für Einflüsse, die nicht einmal quantenphysikalisch fassbar sind.

PB: Trotz seines kosmischen Innenlebens soll das Gehirn nach der Kindheit vorrangig auf Musterbestätigung aus sein. Wie kreativ, wie veränderungsfähig ist es?

Ewald: In der Psychologie hat man mittlerweile mit lange herrschenden Vorstellungen gebrochen. Früher nahm man an, dass die Bahnungen im Gehirn, sozusagen die Art der Bahn, bereits in der Kindheit festgelegt werden und sich bei älteren Menschen nicht mehr verändern würden. In den letzten Jahren hat man herausgefunden, dass diese Annahme schlicht nicht stimmt, stattdessen verändert der Mensch die Bahnungen in seinem Gehirn lebenslang. Das bedeutet zudem, dass er immer wieder neue Prägungen erlebt, wenn auch weniger auffällig und intensiv als bei Kindern. Hier zeigt sich die Offenheit und Möglichkeit, in Neues vorzudringen. Das gehört zum Interessantesten und Schönsten beim Menschen. Ich bin ja nicht mehr sehr jung, aber ich lerne heute noch gerne Gedichte auswendig und finde das ein sehr schönes Erlebnis.

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Quelle: promobizz.de

Kann die Wissenschaft einen Brückenschlag zur Religion anbieten? Diese Frage haben sich bereits Generationen von Naturwissenschaftlern und Philosophen ergebnislos gestellt. Neueste Ergebnisse aus der modernen Quantenphysik lassen jedoch darauf schließen, dass menschliches Bewusstsein auch außerhalb des Körpers existiert, was wieder ein Hinweis auf eine unsterbliche Seele ist.

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